Einführung

Die zunehmende Verbreitung digitaler Technik ermöglicht eine örtliche, zeitliche und organisatorische Flexibilisierung von Arbeit, die unter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zunehmend Verbreitung findet. Reorganisationsmaßnahmen im betrieblichen Umfeld ermöglichen eine Teilnahme auch für Beschäftigtengruppen, die bislang von Angeboten flexibler und mobiler Arbeit nicht Gebrauch machen konnten – so zum Beispiel Kundenbetreuungspersonal im Frontoffice. Die Entwicklung innovativer und praxistauglicher Modelle setzt voraus, dass Chancen innovativer Arbeitsformen ebenso bedacht und angesprochen werden wie die Risiken, die mobiles und flexibles Arbeiten für Beschäftigte und Unternehmen mit sich bringt. Nur so lassen sich innovative Arbeitsmodelle etablieren, denn

„innovativ“ bedeutet nicht nur „neu“, sondern auch „gut“.

„Innovativ“ = neu + gut

Folgende Tabelle bietet einen Überblick über unterschiedliche Formen mobiler Arbeit sowie eine Auswahl an Vorteilen bzw. Chancen (in blau) und Nachteilen bzw. Risiken (in rot) für Beschäftigte und Unternehmen.

Form mobiler ArbeitBeschäftigteUnternehmenBeschäftigteUnternehmen
HomeofficeBessere Vereinbarkeit von Arbeit und PrivatlebenHöhere Mitarbeitergesundheit/-zufriedenheitSelbstausbeutung
Konzentrierteres ArbeitenSteigerung der ArbeitgeberattraktivitätErweiterte Erreichbarkeit
Wegfall von PendelzeitenVerschwimmen von Arbeit und Privatleben
unterwegs*Engere KundenkontakteVerbesserte Kundennähe
Homeoffice / unterwegs*Höhere Eigenverantwortung und AutonomieGrößere Effizienz und ProduktivitätHohe Anforderungen an die Fähigkeit zur SelbstorganisationDatenschutzrechtliche Fragen
Mehr GestaltungsspielräumeFörderung einer vertrauensbasierten FührungskulturNachlassende Kontakte ins UnternehmenReibungsverluste
Ergonomische Unzulänglichkeiten der ArbeitsmittelHöhere Aufwände (zeitlich und finanziell durch technische Ausstattung)

* „Unterwegs“ = z.B. Arbeit bei der Kundschaft, an verschiedenen Unternehmensstandorten oder auf der Baustelle.
Abbildung 1: Formen Chancen und Risiken mobiler Arbeit | Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 2015; Vogl und Nies (2013).

Warum braucht es überhaupt innovative Arbeitsmodelle?

Stadtwerke befinden sich in einem ungelösten Spannungsverhältnis zwischen Erwerbswirtschaft und kommunaler Daseinsvorsorge. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund technologischer und demografischer Entwicklungen wird es insgesamt zunehmend schwieriger, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Innovative Arbeitsmodelle tragen u.a. dazu bei, dass Stadtwerke auch in Zukunft qualifiziertes und engagiertes Personal finden und gleichzeitig das bestehende Personal halten und weiterqualifizieren zu können. Dies ist jedoch nicht alles.

Neue Arbeitsmodelle…

  • … ermöglichen andere Geschäftsmodelle & neue Arbeitsprozesse
  • … machen die Stadtwerke als Arbeitgeber attraktiver
  • … sind im Interesse der Beschäftigten, denn sie…
    • … steigern Arbeitszufriedenheit
    • … ermöglichen mehr selbstbestimmtes Arbeiten
    • … erhöhen die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf
    • … steigern die Identifikation mit dem Arbeitgeber
  • … und können dadurch auch die Produktivität der Einzelnen und der Teams steigern.

Die folgende Abbildung fasst Motivatoren und Gründe nochmals in einer Grafik zusammen.

Bedarf an Fachkräften

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Wettbewerbs-
und Innovationsfähigkeit
ausbauen

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Arbeitgeber-
attraktivität
steigern

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Zufriedenheit
erhalten

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Innovative Arbeitsmodelle

Abbildung 2: Wozu innovative Arbeitsmodelle? | Quelle: Eigene Darstellung

Formen flexibler Arbeit – Wer oder was ist eigentlich Mobil?

Es gibt verschiedene Formen mobiler Arbeit. Diese Formen unterscheiden sich in der Frage, ob Arbeitsinhalte, die Beschäftigten selbst oder beides mobil ist und in der Folge auch darüber, wie selbstbestimmt und autonom Beschäftigte arbeiten können. Folgende Tabelle gibt hierzu einen Überblick.

Mobilität der ArbeitsinhalteMobilität der Beschäftigten
Arbeit zuhause
Reine Telearbeit
Alternierende Telearbeit
Virtuell vernetzte Projektarbeit
Arbeit beim Kunden bzw. an verschiedenen Standorten,
z.B. Unternehmensberatung, Außendienst, Servicetechniker
Mobile Telearbeit – Arbeiten unterwegs im Hotel, im Zug, in der Lobby etc.
auf dem Weg zum Kunden etc.

Abbildung 3: Wer oder was ist eigentlich Mobil? Formen mobiler Arbeit | Quelle: Vogl und Nies, 2013

Sind die Arbeitsinhalte mobil, kann der*die Beschäftigte über eine Datenleitung auf die Inhalte zugreifen (vgl. hier und im Folgenden Vogl und Nies 2013). In der Folge wird der Arbeitsort unwichtiger. Entscheidend ist dagegen der Zugang zum Netz. Sind die Beschäftigten selbst mobil (wie beispielsweise technische Fachkräfte im Service oder Außendienstmitarbeitende), dann in der Regel, weil sie zu der Kundschaft, auf die Baustelle oder andere Standorte des Unternehmens fahren. Folglich sind sie in ihrer zeitlichen und örtlichen Flexibilität oftmals durch feste Termine stark eingeschränkt. Beim Arbeiten unterwegs sind sowohl die Arbeitsinhalte als auch die Beschäftigten mobil so wie beispielsweise bei der Arbeit im Zug oder im Hotel.

Zentrale Gedanken von und für Arbeitsgestaltung im Rahmen von AKTIV-kommunal

Bereits heute nutzen 83% der Beschäftigten digitale Informations- und Kommunikationstechnologien am Arbeitsplatz (Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 2016). Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten zudem mobil. Diese Form von Arbeit – im Folgenden auch als mobile work bezeichnet – muss gestaltet werden. Sie eröffnet neue Möglichkeiten, birgt aber auch Risiken. Stadtwerke haben hierbei spezifische Bedingungen (auch, aber nicht nur, weil sie als kommunale Versorgende kritische Infrastruktur bereitstellen). Eine praxistaugliche Gestaltung mobiler Arbeit für und mit Stadtwerken muss die spezifischen Gegebenheiten nicht nur der kommunalen Energieversorgung, sondern auch des konkreten Stadtwerks und der darin arbeitenden Menschen berücksichtigen, für die innovative Arbeitsmodelle designt werden. Zentral ist, dass nach der Entwicklung nicht Schluss ist: Im Sinne einer Erprobung müssen innovative Arbeitsmodelle umgesetzt, gelebt, ausprobiert und möglicherweise auch angepasst werden.

Innovative Arbeitsmodelle müssen sich im Arbeitsalltag beweisen

Durch eine formative Evaluierung im Rahmen iterativer Prozesse werden die Arbeitsmodelle im Rahmen des Projekts AKTIV-kommunal deshalb im praktischen Tun bewertet, weiterentwickelt und Schritt für Schritt verbessert. Dabei geschehen alle Arbeitsschritte – Entwicklung, Umsetzung und Evaluierung – in kollaborativer Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Wissenschaftler*innen und den Unternehmen. Beschäftigte, Führungskräfte, Mitglieder des Betriebsrats und alle weiteren Anspruchsgruppen werden eingebunden und als Mitgestaltende und Mitbestimmende in die Verantwortung genommen.

Innovation = Invention + Diffusion

Innovation entsteht nur, wenn Invention und Diffusion zusammenkommen, d.h. wenn innovative Modelle nicht nur entwickelt, sondern vor allem auch gelebt werden. Dazu gehört auch, dass diverse Aspekte von Arbeitsmodellen reguliert und mit Organisationsnormen unterlegt werden. Im Teilvorhaben „Innovative Arbeitsmodelle“ des Projektes AKTIV-kommunal werden maßgeschneiderte Lösungen für kommunale Energieversorger im Allgemeinen und für die Stadtwerke Heidelberg im Besonderen entwickelt. Etablierte sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden kommen dabei ebenso zum Einsatz wie kreative Techniken des Design Thinking. Bei allem steht der Mensch im Mittelpunkt: Wir entwickeln Modelle mit und für Menschen und bedenken dabei Chancen und Risiken gleichermaßen.

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Forschung

Qualitative und quantitative Sozialforschung.
Interviews, Fokusgruppen, teilnehmende Beobachtungen, Survey

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Entwicklung

Design Thinking

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Innovative Arbeitsmodelle

Beschäftigte / Kommunaler Betrieb / Kunden

Abbildung 4: AKTIV-kommunal – Prozess und Methoden | Quelle: Eigene Darstellung.

Wer Innovation will, muss in Möglichkeiten denken – nicht in Problemen

Das vorliegende Praxishandbuch umfasst theoretische und praktische Aspekte der Gestaltung innovativer Arbeitsmodelle. Es soll dabei helfen, die Möglichkeiten zu sehen, die für Arbeitsgestaltung zur Verfügung stehen – und dazu beitragen, dass im Lauf des komplexen und anspruchsvollen Innovationsprozesses das „Denken in Möglichkeiten“ das „Denken in Problemen“ überwiegt. Ein nutzer- und mitbestimmungsorientierter Ansatz ist für den Erfolg der gestalterischen Maßnahmen unerlässlich. Deshalb spiegelt folgende Abbildung die drei Grundgedanken des Teilvorhabens „Innovative Arbeitsmodelle“ im Rahmen von AKTIV- kommunal.

Ausprobieren – Evaluieren – Verbessern!

Der Weg ist das Ziel: Neue Arbeitsformen und Gestaltungsmöglichkeitenpilotiert innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen (u.a. ArbZGes).

Innovative Arbeitsmodelle werden gemeinsam mit den Nutzer*innen entwickelt

Einbezug von Beschäftigten, Führungskr.ften, Arbeitgeberseite und Betriebsrat ist zentral.

AKTIV-kommunal als „Spaltöffner“ in die Arbeitswelt von Morgen

Umsetzung/Pilotierung innovativer Modelle in vier ausgewählten Abteilungen, die Kernbereiche kommunaler Energieversorgung abdecken.

Abbildung 5: 3 Grundgedanken leiten AKTIV-kommunal | Quelle: Eigene Darstellung.

Weiterführende Literatur

  • Buhr, Daniel (2019): Gemeinsam statt einsam – Digitalisierung braucht Innovation durch Partizipation. In: Kohlrausch, B./Schildmann, C./Voss, D. (eds): Neue Arbeit – neue Ungleichheiten? Folgen der Digitalisierung. Beltz Juventa, Weinheim.
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg.) (2015): Plattform „Digitale Arbeitswelt“. Fokusgruppe „Orts- und zeitflexibles Arbeiten“.
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (Hg.) (2016): Digitalisierung am Arbeitsplatz. – Bericht -. Unter Mitarbeit von Daniel Arnold, Sebastian Butschek und Susanne Steffens. Berlin (Forschungsbericht, 468).
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (2017): Digitale Vereinbarkeit. Home-Office und mobiles Arbeiten – eine Toolbox für Unternehmen und Beschäftigte mit Familienaufgaben. Online verfügbar unter https://www.erfolgsfaktor- familie.de/fileadmin/ef/Wissenplattformfuer_die_Praxis/Toolbox.pdf, zuletzt geprüft am 20.06.2018.
  • Vogl, Gerlinde; Nies, Gerd (2013): Mobile Arbeit. Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Analyse und Handlungsempfehlungen. Frankfurt am Main: Bund-Verl. (Betriebs- und Dienstvereinbarungen).
  • Werther, Simon; Bruckner, Laura (Hg.) (2018): Arbeit 4.0 aktiv gestalten. Die Zukunft der Arbeit zwischen Agilität, People Analytics und Digitalisierung. 1. Auflage 2018. Berlin, Heidelberg: Springer, zuletzt geprüft am 11.06.2018.
  • Zanker, Claus (2017): Mobile Arbeit – Anforderungen und tarifliche Gestaltung. Das Beispiel Deutsche Telekom. WSI Mitteilungen 2017, S. 456ff.