Arbeitsort

Mobile Arbeit bzw. Homeoffice impliziert, dass sich der Arbeitsort der Beschäftigten außerhalb des Betriebsgeländes befindet. Dies ist mit einer Vielzahl unterschiedlicher Implikationen verbunden, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und Gestaltungsansätze

  • Fernpendelnde besitzen ein nahezu doppelt so hohes Risiko für eine schlechtere allgemeine Gesundheit, generelle Stressbelastungen sowie depressive Verstimmungen als Nichtmobile (Beermann et al. 2017, S. 14).
  • Alternierende Telearbeit (a. T.) wirkt sich grundsätzlich positiv auf das Autonomiebefinden von Beschäftigten aus und verringert das Risiko von Work-Family-Konflikten; darüber hinaus erhöht alternierende Telearbeit sowohl die Arbeitszufriedenheit als auch die Arbeitsleistung und verringert zugleich Rollenkonflikte sowie die Fluktuationsneigung der Beschäftigten (Beermann et al. 2017, S. 18).
  • Zusätzlich führt die Nutzung von Telearbeit auch zu Vorteilen für die Unternehmen. Harker Martin und MacDonnell (2012) finden in ihrer Meta-Analyse von 19 Studien seit 1991 leicht positive Effekte für Produktivität, Engagement, Verbleib der Beschäftigten und Performance auf Ebene der Unternehmen. Die Effekte von Telearbeit sind jedoch differenziert zu betrachten und hängen u.a. vom Umfang der Telearbeit ab: „Je extensiver zuhause gearbeitet wird, desto negativere Wirkungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und desto stärkere arbeitsbedingte Erschöpfung sind zu beobachten. […] Durch Arbeit abends und am Wochenende wird das nötige Abschalten von der Arbeit, das normalerweise zu diesen Zeiten erfolgt, verhindert, was eine erhöhte arbeitsbedingte Erschöpfung zur Folge hat“ (Beermann et al. 2017, S. 18).
  • Dauerhaft im Home Office Arbeitende weisen mitunter größere Zufriedenheit und Einsatzbereitschaft für ihre Tätigkeit auf, empfinden zugleich jedoch eine Intensivierung der Arbeit im Vergleich zur Beschäftigung im Betrieb. Diese kann z.T. als freiwillige Leistungssteigerung verstanden werden, mit der Beschäftigte das durch die Erlaubnis mobiler Arbeit in sie gesteckte Vertrauen zu rechtfertigen suchen (Kelliher und Anderson 2010).
  • Ebenso kann vielfache Telearbeit zum Verlust ausgeprägter sozialer Kontakte im Unternehmen führen – ähnlich wie dies bei täglich wechselnden Arbeitsplätzen im Betrieb zu beobachten sein kann. Damit können die Zufriedenheit der Beschäftigten als auch die Offenheit und Vertraulichkeit der Arbeitsatmosphäre abnehmen (Wohlers und Hertel 2016; Gerdenitsch et al. 2017). Mitunter geht damit auch ein Gefühl der Isolation einher (Golden et al. 2008). Dagegen kann die Nutzung von Coworking Spaces helfen (Gerdenitsch und Korunka 2019, S. 98 ff.). Arbeit im Home Office führt im Mittel zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und privaten Belangen (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 2015). Gleichwohl ist eine verstärkte Vermischung von Arbeit und Privatleben ein Nachteil.
  • Homeoffice in der Mietwohnung!? Handelsblatt: „Mieter bewegen sich noch im Rahmen der so genannten vertragsgemäßen Nutzung von Wohnräumen, wenn ihre Tätigkeit nicht den Charakter der Räume als Wohnraum verändert. Das hat der Bundesgerichtshof BGH in einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2009 entschieden (Az.: VIII ZR 165/08, entscheidend ist danach, dass die berufliche Tätigkeit des Mieters nicht nach außen in Erscheinung tritt). […] Das ist in der Regel bei Arbeiten am Telefon oder am PC der Fall. Auch gelegentliche geschäftliche Besuche von Kollegen fallen noch unter diesen Rahmen – kritisch wird es erst, wenn regelmäßiger Kundenbesuch kommt: Dann könnte der Vermieter den Mieter wegen vertragswidriger Nutzung abmahnen und unter Umständen auf Unterlassung klagen.“

(Handelsblatt o. J.)

Beispiel aus der betrieblichen Praxis

Bei Microsoft Österreich wurde 2011 die Veränderung der Arbeitsumgebung mit einer Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Mobilisierung der Arbeit verbunden. Alle Beschäftigten wurden mit Laptops und Smartphones ausgestattet und können seitdem ihren Arbeitsort im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeitregelung frei wählen und damit auch mobil arbeiten (Leitspruch „Mein Büro ist da, wo ich bin.“). Die Büroumgebung vor Ort wurde diversifiziert und bietet nun unterschiedliche Arten von Arbeitsplätzen, die i.S. eines Desksharings frei von den Beschäftigten gewählt werden können (Gerdenitsch und Korunka 2019, S. 75).

Hinweise für die Gestaltung innovativer Arbeitsmodelle

Flexible Regeln werfen Fragen auf – Beschäftigte brauchen Ansprechpersonen

Eine Lockerung von Regelungen und Organisationsnormen sollte immer damit einhergehen, dass im Betrieb Ansprechpersonen ausgewiesen werden, die Hilfestellungen bereitstellen und Ratschläge erteilen bevor Probleme entstehen und/oder (wissentlich oder unwissentlich) gegen geltendes Recht verstoßen wird. Eine Flexibilisierung von Regelungen und Normen sollte begleitet werden durch den Aufbau einer Kombination aus Fordern und Fördern, die sowohl freiwillige Angebote als auch obligatorische (Informations-) Gebote und Standardleistungen bzw. -prozesse umfasst. Die Identifikation geeigneter Ansprechpersonen ist ein zentraler Aspekt innovativer Arbeitsgestaltung, der in jede Fortschreibung von Regelungen und Vereinbarungen übernommen werden sollte. Zu überlegen ist, ob (und wenn ja: wie) präventiv Eskalationsmechanismen etabliert werden können für den Fall, dass Regelungsabsprachen nicht gütlich verlaufen, auch und insbesondere für Bereiche, in denen die praktische Umsetzung der Führungskraft in Rücksprache mit dem*der Beschäftigten obliegt.

Grundprinzip: Doppelte Freiwilligkeit

Regelungen zu mobiler Arbeit, wie sie z.B. bei der Telekom zur Anwendung kommen, legen das sogenannte Prinzip der „doppelten Freiwilligkeit“ zugrunde. Danach hat weder der*die Arbeitnehmende grundsätzlich einen Anspruch auf Homeoffice, noch kann der Arbeitgeber von Beschäftigten mobiles Arbeiten z.B. in Form des Homeoffice verlangen. Der Teilnahme am mobilen Arbeiten sollen stets ein konkretes Verlangen und die Initiative des*der Beschäftigten zugrunde liegen.

Grundsätzlich gilt: Der Arbeitgeber alleine bestimmt, welche Tätigkeiten für Homeoffice und/oder mobile Arbeit in Betracht kommen. Ob und in welchen Bereichen mobiles Arbeiten möglich ist, unterliegt dem Organisationsrecht bzw. der Organisationsbefugnis des Arbeitgebers. Auch eine spätere Hinzu- bzw. Herausnahme eines Bereiches aus dem Angebot des mobilen Arbeitens durch den Arbeitgeber ist möglich (je nach Regelungsabsprache sind ggf. Fristen einzuhalten). Alle betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte sollten von dieser Regelung unberührt bleiben. Im Sinne der doppelten Freiwilligkeit können Beschäftigte die Teilnahme am mobilen Arbeiten ohne Angabe eines Grundes ablehnen. Aus der Nichtteilnahme dürfen dem*der Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Zu überlegen ist auch, ob und inwiefern Beschäftigte vom Angebot mobiler Arbeit ausgenommen werden, die sich z.B. in einem Ausbildungsverhältnis befinden und/oder erst seit Kurzem im Betrieb arbeiten.

Wenn Beschäftigte einen Arbeitsplatz haben, für den der Arbeitgeber grundsätzlich mobiles Arbeiten vorsieht, dann ist die Teilnahme am mobilen Arbeiten für die entsprechenden Beschäftigten grundsätzlich möglich. Trotzdem können betriebliche und persönliche Aspekte gegen mobiles Arbeiten sprechen. In diesem Fall stehen den Beschäftigten Eskalationsverfahren

zur Verfügung, die u.a. den Einbezug des Betriebsrates bzw. (in zweiter Instanz) des*der Betriebsratsvorsitzenden vorsehen. Grundsätzlich gilt das Erörterungsrecht, es gibt jedoch keine gesetzliche Grundlage, auf deren Basis Arbeitnehmende bestimmte Arbeitsmodelle durchsetzen können.

Eine Begrenzung des mobilen Arbeitens ist auch durch eine individuelle Absprache zwischen der Führungskraft und demder Beschäftigten möglich. Der Umfang sollte ebenso festgelegt werden – wobei zwischen mobilem Arbeiten ad hoc (spontan) und einer regelmäßigen Vereinbarung unterschieden werden sollte. Hinsichtlich des im Prinzip frei zu wählenden Arbeitsortes kann und sollte die Führungskraft ggf. Einschränkungen machen. Auch wenn die Führungskraft letztendlich entscheidet, ob und in welchem Umfang Beschäftigter am mobilen Arbeiten teilnehmen können, sollte eine Frist festgesetzt werden, innerhalb derer die Entscheidung zu fällen ist; gleiches gilt für Widerspruch. In diesem Fall ist eine Ablehnung insbesondere hinsichtlich Nachvollziehbarkeit der Begründung zu prüfen, auch Transparenz ist wichtig. Die Prüfung sollte auch durch den Betriebsrat erfolgen. Nach einer erstmaligen Ablehnung sollte eine Frist festgesetzt werden, nach deren Ablauf der*die Beschäftigte erneut einen Antrag auf mobiles Arbeiten stellen kann.

Dialog ist unersetzlich

Ein Dialog zwischen allen Parteien über Verpflichtungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen ist anzustreben, sodass die Verantwortungsaufteilung klar geregelt ist und Regelungen im Betrieb bekannt sind. Darüber hinaus könnte es sinnvoll sein, dass der Arbeitgeber sich in Abstimmung mit dem Betriebsrat dazu verpflichtet, dass mobile work grundsätzlich zeitlich begrenzt ausprobiert werden darf. Die zeitliche Grenze der Versuchsdauer sollte bereits vor Beginn des Ausprobierens festgelegt und kommuniziert werden. Lehnt der Arbeitgeber die Teilnahme eines Beschäftigten am Angebot mobilen Arbeitens ab, so muss die Ablehnung mitgeteilt werden, am besten in schriftlicher Form. Für diesen Fall sollte dem*der betroffenen Beschäftigten ein Recht auf ein Gespräch u.a. mit dem Betriebsrat sichergestellt werden.

Auch bei mobile work bleibt die erste Tätigkeitsstätte der Betrieb, jedenfalls dann, wenn mobile work in der alternierenden Form angeboten wird. Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse empfiehlt es sich, von Vollzeit Homeoffice-Arbeitsplätzen abzusehen. Der Arbeitsplatz im Betrieb sollte in jedem Fall erhalten bleiben.

Flexibilität braucht Sicherheit! Auch für mobile work sind die Mindestanforderungen festzuschreiben

Festzuschreiben ist überdies, dass auch für mobiles Arbeiten Mindestbedingungen zu Anforderungen an den Arbeitsplatz, die Arbeitsmittel, Bedingungen des (präventiven) Gesundheitsschutzes sowie des Arbeits- und betrieblichen Umweltschutzes gegeben sind (siehe Telekom Deutschland GmbH und Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 2016, § 4).

Zudem sollte bzw. muss vereinbart werden, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsleistung unabhängig vom gewählten Arbeitsplatz bzw. -ort zu erbringen ist. Auch eine generelle Kontrolle der Arbeitsergebnisse, sowie Regelungen bzgl. Transparenz sollten vereinbart werden (siehe Kapitel zu Leistungskontrolle). Hier sollte ein zwingender Austausch zwischen Beschäftigten und Führungskräften festgeschrieben werden.

Im Rahmen des Projektes AKTIV-kommunal unerlässlich, aber auch darüber hinaus und unabhängig vom Projekt geboten, sind Regelungen zum Dialog zwischen den Betriebsparteien. Diese sollten Absprachen und Vereinbarungen niederlegen, die in regelmäßigen Abständen Gespräche zwischen den Parteien festlegen. Darüber hinaus sollte eine bedarfsorientierte Beratungsstruktur im Unternehmen verankert werden, auch, um Konflikten sowie nicht- intendierten Folgen präventiv entgegenzuwirken. Nicht zuletzt erscheint es sinnvoll, dass Regelungen zum Informationsaustausch getroffen werden. Somit kann sichergestellt werden, dass (z.B. gewerkschaftliche) Informationen u.a. des Betriebsrates, aber auch alle anderen Informationen, die das Unternehmen betreffen, auch diejenigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zeitnah erreichen, die mobil und zeitflexibel arbeiten. Hierbei gilt es unter anderem zu erörtern, ob das Intranet und/oder andere elektronische Medien hierfür sinnvoll genutzt werden können. Denkbar wäre zum Beispiel, dass mobil arbeitende Beschäftigte ihre Mailadresse hinterlegen, um Informationen direkt per E-Mail erhalten zu können.

Kündigung/Widerruf der Genehmigung mobiler Arbeit muss möglich sein

Nicht zuletzt gilt, dass Genehmigungen zu mobiler Arbeit auch dann kündbar sein sollten, wenn sie dauerhaft vereinbart werden. Hier gilt es, Fristen festzulegen. Sinnvoll könnte auch sein, grundsätzlich Pilotphasen zu vereinbaren, insbesondere bei Neueinführung.

Literaturhinweise

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  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (2015): Mobiles und entgrenztes Arbeiten. Aktuelle Ergebnisse einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung. Hg. v. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Berlin. Online verfügbar unter http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a873.pdf? blob=publicationFile&v=2, zuletzt geprüft am 13.09.2016.
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (Hg.) (2018): Arbeitsstättenverordnung. Bonn. Online verfügbar unter http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF- Publikationen/A225-arbeitsstaettenverordnung.pdf? blob=publicationFile, zuletzt geprüft am 02.05.2018.
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  • Gerdenitsch, Cornelia; Korunka, Christian (2019): Digitale Transformation der Arbeitswelt. Psychologische Erkenntnisse zur Gestaltung von aktuellen und zukünftigen Arbeitswelten. Berlin: Springer.
  • Golden, Timothy D.; Veiga, John F.; Dino, Richard N. (2008): The impact of professional isolation on teleworker job performance and turnover intentions. Does time spent teleworking, interacting face-to-face, or having access to communication-enhancing technology matter? In: The Journal of applied psychology 93 (6), S. 1412–1421.
  • Golden, Timothy D. (2012): Altering the Effects of Work and Family Conflict on Exhaustion. Telework During Traditional and Nontraditional Work Hours. In: Journal of Business and Psychology 27 (3), S. 255–269.
  • Harker Martin, Brittany; MacDonnell, Rhiannon (2012): Is telework effective for organizations? In: Management Research Review 35 (7), S. 602–616.
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  • Wohlers, Christina; Hertel, Guido (2016): Choosing where to work at work – towards a theoretical model of benefits and risks of activity-based flexible offices. In: Ergonomics 60 (4), S. 467–486