Unfallschutz

Arbeitgeber haben für den Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz zu sorgen und Arbeitsunfälle zu verhindern. Kommt es zu einem Arbeitsunfall, sind die Betroffenen durch ein komplettes Betreuungs- und Entschädigungssystem der Unfallversicherungsträger abgesichert. Hierzu gehören Heilbehandlungen (ärztliche Behandlung, Medikamente, Verbands- und Heilmittel, Aufenthalte im Krankenhaus oder Reha-Einrichtungen, Physio- und Psychotherapie), Verletztengeld, Pflegegeld, Rente und Hinterbliebenenleistungen im Todesfall. Die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung sind in der Regel umfangreicher als die der Krankenkassen.

Ob ein Unfall im Homeoffice als Arbeitsunfall anerkannt wird, kommt darauf an, wo und unter welchen Umständen er geschehen ist. Arbeiten am Schreibtisch im Homeoffice sowie der Weg vom Homeoffice zum Arbeitgeber sind versichert und fallen dementsprechend unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nicht versichert ist im Homeoffice beispielsweise der Weg zur Toilette oder zur Küche (Bund Verlag (2017)

Rechtlicher Rahmen

Gesetze

Gesetzlich ist nur die Definition eines Arbeitsunfalls festgelegt. So sind Arbeitsunfälle nach dem Sozialgesetzbuch § 8 SGB VII „Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.“

Zum Thema Unfallschutz ist auch der Betriebsrat gefragt. Laut Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG § 87 Mitbestimmungsrechte, Abs 1) gilt folgende Regelung:

„Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: […] Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften“

Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und Gestaltungsansätze

Bislang haben sich bereits einige Gerichte mit der Frage nach der Anerkennung von Unfällen im Homeoffice als Arbeitsunfälle auseinandergesetzt. So ist die Arbeit am heimischen Schreibtisch sowie der Weg vom Homeoffice in den Betrieb zwar grundsätzlich genauso versichert wie die Arbeit im Betrieb (Weigelt 2016; Die Zeit 2016; arbeitssicherheit.de 2016). Doch zu Hause ist nur versichert, was in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeit steht. Der Weg zur Toilette oder in die private Küche, um sich etwas zu Essen oder Trinken zu holen, zählt zum privaten Lebensbereich. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Juli 2016). In der Begründung hieß es, der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber müsse das Risiko tragen, das sich aus der privaten Wohnungseinrichtung ergebe. Das BSG wies auf Unterschiede zwischen dem Homeoffice und dem betrieblichen Arbeitsplatz hin. In letzterem sei die Nahrungsaufnahme in betriebliche Abläufe eingebunden. Die Arbeitgeber seien auch für die Gestaltung und Sicherheit der Wege verantwortlich, die Berufsgenossenschaften könnten entsprechende Auflagen machen.

Arbeitgeber, die ihren Mitarbeiter*innen Homeoffice ermöglichen, sollten in Erwägung ziehen, den betroffenen Beschäftigten ein Aufklärungsblatt über den Versicherungsschutz im Homeoffice an die Hand zu geben, um sie über die aktuelle Rechtslage in Kenntnis zu setzen

Beispiele aus der betrieblichen Praxis

Gilt die gesetzliche Unfallversicherung auch im Homeoffice?

Im Folgenden werden Zitate aus unterschiedlichen Artikeln zum Thema wiedergegeben, die zeigen, wie unklar die gesetzliche Lage bezüglich der Unfallversicherung im Homeoffice ist.

Handelsblatt (Quelle: http://www.handelsblatt.com/finanzen/steuern-recht/recht/streitfall- unfallversicherung-gilt-auch-im-Homeoffice/10164222-3.html, zuletzt geprüft am 03. Juli 2018)

„[…] Bei der Arbeit im Homeoffice gelten die Regeln der gesetzlichen Unfallversicherung, Arbeiten am heimischen Schreibtisch sind ebenso versichert wie der Weg vom Homeoffice in die Firma. Allerdings unterliegen der Gang zur Toilette oder zur Kaffeemaschine, anders als im Büro, nicht der gesetzlichen Unfallversicherung. […]“

Zeit.de (Quelle: http://www.zeit.de/karriere/beruf/2016-07/homeoffice-unfall-versicherung- mitarbeiter-arbeitsunfall-arbeitsrecht, zuletzt geprüft am 03. Juli 2018)

„[…] zum Thema Betriebsunfall: Die Arbeit Ihrer Mitarbeiter am Schreibtisch im Homeoffice sowie der Weg vom Homeoffice zum Arbeitgeber sind versichert und fallen dementsprechend unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Hier gibt es allerdings im Gegensatz zum Arbeitsplatz im Betrieb Unterschiede. Fällt Ihr Mitarbeiter beispielsweise auf dem Weg zur Toilette oder zur Küche und verletzt sich, fällt das nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung“ (Zeit 2018: o. S.).

Zeit.de (Quelle: http://www.zeit.de/karriere/beruf/2016-07/bundessozialgericht-arbeitsunfall- verletzung-homeoffice-unfall, zuletzt geprüft am 03. Juli 2018)

„[…] Wer zu Hause arbeitet und sich währenddessen auf dem Weg beispielsweise zur Toilette oder zum Essen und Trinken verletzt, kann dafür keinen Arbeitsunfall geltend machen. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. In der Begründung hieß es, der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber müsse das Risiko tragen, das sich aus der privaten Wohnungseinrichtung ergebe.
Das BSG wies auf Unterschiede zwischen dem Homeoffice und dem betrieblichen Arbeitsplatz hin. In letzterem sei die Nahrungsaufnahme in betriebliche Abläufe eingebunden. Die Arbeitgeber seien auch für die Gestaltung und Sicherheit der Wege verantwortlich, die Berufsgenossenschaften könnten entsprechende Auflagen machen.

Für den heimischen Arbeitsplatz dagegen habe es jedenfalls im Fall der Klägerin keinerlei betriebliche Zwänge gegeben, etwa Vorgaben zu den Pausen. Zudem werde die Wohnung von der Arbeitnehmerin selbst gestaltet. Auch die Berufsgenossenschaft habe darauf keinerlei Einfluss und könne beispielsweise nicht anordnen, schwarz-gelbe Signalbänder an den Treppenabsätzen anzubringen.

Der erste Weg am Morgen zum Arbeitszimmer kann unter Umständen nach bisheriger Rechtsprechung allerdings unfallversichert sein. Ob daran festgehalten wird, ließ das BSG ausdrücklich offen (vgl. Zeit 2018: o. S.).“

Arbeitssicherheit.de (Quelle: https://www.arbeitssicherheit.de/themen/arbeitssicherheit/detail/gesetzlich-unfallversichert- im-home-office.html, zuletzt geprüft am 03. Juli 2018)

„In vielen Unternehmen ist Telearbeit keine Seltenheit. Beschäftigte arbeiten von zu Hause aus. Doch greift die gesetzliche Unfallversicherung auch, wenn ein Unfall im Homeoffice passiert?
Diese Frage ist klar zu beantworten: Telearbeiter sind bei ihrer Tätigkeit im Homeoffice grundsätzlich genauso über die Berufsgenossenschaft versichert wie Mitarbeiter im Betrieb. Zu beachten sei jedoch das Wort »grundsätzlich«, so die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN). Denn: Zu Hause kann nur das versichert sein, was in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeit steht. In dem Raum, den ein Beschäftigter für Telearbeit nutzt, sind zunächst alle arbeitsbezogenen Tätigkeiten versichert. Diese Regelung gilt auch in weiteren Räumen, in denen beispielsweise für die Arbeit benötigte Kopierer oder Drucker aufgestellt sind. Die Wege dorthin sind ebenfalls versichert. Kein Versicherungsschutz gilt hingegen bei dem Weg zur Toilette in der eigenen Wohnung. Dieser Weg ist – anders als im Betrieb – bei der Telearbeit im heimischen Büro nicht versichert. Gleiches gilt bei dem Weg in die private Küche, um sich etwas zum Essen oder Trinken zu holen. Diese Wege zu Hause zählen zum privaten Lebensbereich. Zwar ist auch derjenige versichert, der an einem schönen Tag mit seinem
Notebook auf der Terrasse arbeitet. Aber der Umzug vom häuslichen Arbeitszimmer zum Plätzchen an der Sonne ist wiederrum nicht versichert. Stolpert ein Beschäftigter über die Schwelle seiner Terrassentür und zieht sich eine Verletzung zu, so zählt dies zu den Gefahren der Privatwohnung und deren Umfeld. Hier greift kein Schutz durch die Berufsgenossenschaft. Sind Besprechungen im Betrieb angesetzt und eine Anwesenheit erforderlich, brauchen sich Arbeitnehmer keine Gedanken um ihren Versicherungsschutz machen. Dieser beginnt und endet auf Wegen zum Betrieb mit Durchschreiten der äußeren Haustür. Wichtig ist jedoch: Unterbricht jemand für private Erledigungen die Arbeit, ist der Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung zumindest für diese Zeit ebenso unterbrochen (Arbeitssicherheit 2018: o. S.).“

Bundessozialgericht (Akte: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi- bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&sid=5f210230c6e287b30067e06fdc78 2be0&nr=14417&pos=0&anz=1, zuletzt geprüft am 03. Juli 2018)
Weitere Quelle: http://www.sueddeutsche.de/karriere/arbeitsrecht-beinbruch-im-homeoffice-unfallversicherung-muss-nicht-zahlen-1.3064635, zuletzt geprüft am 03. Juli 2018.

Gerichtlicher Verlauf des Streitfalls: Klage abgewiesen, Klage bewilligt, Klage abgewiesen

  1. Instanz (Sozialgericht Mainz 29.04.2014): kein Arbeitsunfall, da es bei Heimarbeit keinen Grund gebe, Wege zur Nahrungsaufnahme unter Versicherungsschutz zu stellen
  2. Instanz (rheinland-pfälzische Landessozialgericht 27.02.2015): Arbeitsunfall, weil sie ihr Büro nur über die heimische Treppe erreichen könne und die Nahrungsaufnahme dem Erhalt ihrer Arbeitskraft gedient habe
  3. Instanz (Bundessozialgericht Kassel 05.07.2016): kein Arbeitsunfall, weil der Gang über die häusliche Treppe kein „Betriebsweg“ ist. Die Küche – und der Weg dorthin – zählten nicht zum Arbeitsplatz, sondern zum persönlichen Lebensbereich. „Die der privaten Wohnung innewohnenden Risiken hat auch nicht der Arbeitgeber, sondern der Versicherte selbst zu verantworten“, heißt es in dem Urteil (Az.: B 2 U 5/15 R) (vgl. Süddeutsche 2018: o. S.)

Hinweise für die Gestaltung innovativer Arbeitsmodelle

Mobiles Arbeiten birgt Risiken! Eine spezielle Unterweisung der Beschäftigten ist unerlässlich

Insbesondere ortsflexibles Arbeiten geht mit höheren Risiken für die Beschäftigten einher, da Unfälle außerhalb der betrieblichen Wirkungsstätte und außerhalb der Arbeitswege u.U. lediglich durch die Regelungen der Krankenversicherung abgedeckt sind. Im Sinne der Gestaltung guter flexibler und mobiler Arbeit wurden daher „Beipackzettel“ erarbeitet und dem Unternehmen zur Verfügung gestellt, die die aktuelle Sachlage widerspiegeln. So soll dafür gesorgt werden, dass Beschäftigte die Sachlage hinreichend kennen und eine informierte Entscheidung über die Teilnahme an mobile work treffen können.

Betriebliche Information und „Beipackzettel“ sind notwendig

Mobile Arbeit ist nur bedingt durch den gesetzlichen Unfallschutz abgesichert, was dazu führt, dass das Risiko durch Unfälle zumindest teilweise vom Arbeitgeber auf den*die Arbeitnehmer*in übertragen wird. Im Rahmen der Umsetzungsphase von AKTIV-kommunal wurde daher ein sogenannter „Beipackzettel“ entwickelt, der die Beschäftigten mit Informationen versorgt und über Risiken mobiler Arbeit aufklärt. Zentral hierbei ist, dass alle Informationen, die an Beschäftigte ausgegeben werden, u.a. mit Sicherheitsbeauftragten der betreffenden Unternehmen sowie dem Betriebsrat abgestimmt sind. Darüber hinaus ist es wichtig Ansprechpersonen zu nennen, die den Beschäftigten bei Fragen zur Verfügung stehen.

Folgender Text ist ein Beispiel für einen „Beipackzettel“ zum Thema Unfallschutz. Er spiegelt die aktuelle Sachlage wider (Stand Juli 2018).

Quelle: Eigene Entwicklung

Literaturhinweise